Lienhard:

Nach einer erlebnissreichen Zeit auf den Kapverden wird es langsam Zeit für den Aufbruch zur Atlantiküberquerung. Nachdem Heiko seine Frau zum Flughafen gebracht und danach den Mietwagen abgegeben hat, sind wir fast startklar. Die Tage vorher haben wir unsere Nahrungs- und Trinkwasservorräte ergänzt. Jetzt heißt es noch den Dieseltank füllen, Wetter zumindest für die nächsten Tage checken und Abfahrt. Bis wir an der Tankstelle fertig sind, ist es auch schon 14:00 Uhr. Eigentlich ist die Uhrzeit ziemlich egal, wir wollen aber noch ein paar Stunden im Hellen die Bordroutine einkehren lassen.

Irgendwie ist man doch aufgeregt die nächsten zwei/drei Wochen allein auf See zu sein. Eine Menge Fragen gehen einem durch den Kopf. Reicht der Diesel für eine Flautenzeit, funktionieren der Wassermacher und der Generator, überhaupt alle benötigten Systeme an Bord, zuverlässig? Haben wir wirklich die evtl. benötigten Ersatzteile an Bord? Wie funktioniert das Zusammenleben mit der Enge an Bord für drei Personen, und, und, und …

Wir stecken unseren Kurs südlich von Santo Antao ab, um möglichst nur kurz in die Windabdeckung der Insel zu kommen. Als die Dämmerung gegen 18:00 Uhr einsetzt, haben wir bereits einen schönen Passatwind aus Nord-Östlicher Richtung. Gott sei Dank dreht der Wind in den nächsten Tagen immer mehr auf Ost, so dass wir unsere Passatsegel setzen können. Das hört sich einfach an, ist aber auf einem stark schaukelndem Schiff eine ziemliche Arbeit. Die nicht mehr benötigte Genua bergen, ordentlich zusammenlegen und verstauen, die Passatsegel (zwei gleichgroße Focks) in die beiden Nuten des Vorstags einziehen und gleichzeitig setzen. Während Thomas und Heiko die Segel einfädeln, dabei Fahrstuhl fahren und ordentlich nass werden, kurbele ich die Segel hoch. Puh, man will sich ja keine Schwäche anmerken lassen und die Jungs da vorn auch nicht ewig warten lassen. Aber ist das Stechen in der Brust schon ein Herzinfarkt? Jetzt noch die beiden Spinnakerbäume anschlagen, die Fockschoten durchfädeln und heißa, das wirklich coole Segeln beginnt, Mega entspannt. Lediglich einen Tag müssen wir unter Motor fahren, es ist einfach zu wenig Wind, der Passat schwächelt noch etwas. Der Autopilot übernimmt das Steuern und wir haben Zeit für andere Sachen.

Thomas hatte südlich von Santo Antao schon Petri-Glück mit zwei Thunfischen und möchte das natürlich gern wiederholen. Heiko ist mit Salzbeseitigung, zumindest an den Scheiben, beschäftigt. Ich schmeiße wieder einmal den Generator und Wassermacher an. Tägliches Duschen ist schon eine feine Sache. Außerdem ist irgendwie die Mittagszubereitung an mir hängengeblieben. Thomas danach: „Ich geh mal runter das Schlachtfeld aufräumen“.

Mittlerweile haben wir einen regelmäßigen Tagesablauf etabliert. Um 08:00 Begrüßungskäffchen mit Auswertung der Nachtwachen, 09:30 Frühstück, danach Bordarbeiten, Angeln ausbringen, Brotbacken. 13:30 Mittag mit anschließender Schwäche und gegen 18:00 ist schon wieder Abendbrot mit einsetzender Dämmerung. Ab 20:00 beginnen wir unsere zweistündigen Wachen, so kann jeder vier Stunden am Stück schlafen. Die Nacht ist irgendwie auch schön, es ist trotz fehlender Sonne warm und nicht ganz so heiß wie am Tag. Die Sterne sind viel heller und nach Mondaufgang glitzert das Meer einfach fantastisch.

Wir vertreiben uns unter anderem den Tag mit ausführlichen Diskussionen darüber, wann denn die Uhr wieder um eine Stunde zurück gestellt werden muss. So vergeht ein Tag nach dem anderen und wir sind ein bisschen erschrocken, dass wir schon nach 15 Tagen unser Ziel Barbados erreichen werden. Ein Mahi Mahi geht Thomas dann noch an die Angel, so dass die nächsten Mahlzeiten gerettet sind.

Am letzten Tag auf See müssen wir den Motor mit zur Hilfe nehmen, um unsere anvisierte Ankerbucht bei Port St. Charles noch bei einigermaßen Tageslicht zu erreichen. Land in Sicht, Palmen, Strand, juchhu, wir haben es geschafft. Ein gutes Gefühl macht sich breit, die Technik, das Boot hat durchgehalten, wir auch!

Nach 15 Tagen, 6 Stunden, 2.066 Seemeilen und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,7 kn sind wir da. Keine schlechte Zeit im Vergleich zu anderen Booten. Der Anker fällt, das Bier geht auf, wir prosten uns zu und freuen uns auf eine Nacht in der wir wiedr durchschlafen können.

Was wird uns der nächste Tag und die Zeit auf Barbados bringen? In einigen Tagen kommen Rudi und Kirsten mit dem Flugzeug nach, wir freuen uns schon.

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